Double Leverage – Renaissance eines bereits gelösten Problems?

In diesem Beitrag unserer Serie zur aktuellen Bankenregulierungsdebatte in der Schweiz beleuchten wir die teilweise Fremdfinanzierung von Beteiligungen an Tochtergesellschaften innerhalb des Konzerns. Dieses Instrument spielte beim Zusammenbruch der Credit Suisse eine wesentliche Rolle. Ein generelles Verbot würde jedoch über das Ziel hinausschiessen und hätte erhebliche Auswirkungen auf das Treasury- und Risikomanagement systemrelevanter Bankkonzerne mit Sitz in der Schweiz
Worum geht es beim Double Leverage?
Der Begriff Double Leverage bezieht sich auf die Praxis von Bankkonzernen, auf der Stufe der Holding Fremdkapital zu beschaffen und dieses als Eigenkapital in Tochterbanken einzuschiessen. Dadurch entsteht der Eindruck einer höheren Kapitalausstattung als tatsächlich vorhanden ist.
Diese Praxis von US-Banken aus den 1970er-Jahren wurde von den Aufsichtsbehörden bereits stark eingeschränkt. Mit der Einführung von Eigenmittelanforderungen auf konsolidierter Gruppenebene im Basel Framework ist Double Leverage heute faktisch nicht mehr möglich. Die Gruppe muss die Eigenmittelvorschriften auch einschliesslich der Holding erfüllen.
Unechter Double Leverage im Stammhaus
Die Kapitalvorschriften für das Stammhaus systemrelevanter Banken verlangen bislang nur eine teilweise Abdeckung der Beteiligungen an ausländischen Tochtergesellschaften mit Eigenkapital. Da dadurch eine teilweise Finanzierung mit Fremdkapital möglich bleibt, sprechen die Behörden auch hier von Double Leverage. Dies ist jedoch etwas irreführend, da es ausschliesslich um konzerninterne Finanzierung geht. Eine systemrelevante Bank kann aufgrund der Kapitalvorschriften auf der Gruppenebene insgesamt nie weniger Eigenmittel halten als aufgrund der strengen Too-big-to-fail-Vorschriften erforderlich sind.
Was sind die Risiken im Fortführungsfall
Die Behörden befürchten, dass Beteiligungen an ausländischen Banktöchtern in einer Krise rasch und erheblich an Wert verlieren könnten. Bei einer teilweisen Finanzierung mit Fremdkapital könnte dies die Eigenmittel im Stammhaus stark belasten – wie bei der Credit Suisse tatsächlich zu beobachten war. Ursache dafür war jedoch die massive Überbewertung der Beteiligungen: Diese wurden im Stammhaus auf Basis geschätzter zukünftiger Gewinne der Tochtergesellschaften bewertet. Schon eine Anpassung der Prognosen führte daher zu materiellen Wertberichtigungen.
Aus unserer Sicht sollte deshalb die Bewertungsmethode auf den Nettoinventarwert (Net Asset Value) umgestellt werden. Dabei entspricht der Beteiligungswert in etwa den regulatorischen Eigenmitteln der Tochtergesellschaften. Bei dieser konservativeren Bewertung kommt es nur dann zu Wertberichtigungen, wenn in der Tochtergesellschaft tatsächlich Verluste anfallen. Dass sich solche Verluste auch in den Eigenmitteln des Stammhauses niederschlagen, ist ökonomisch folgerichtig und zwingt die Bank zu einer angemessenen Reaktion.
Die Bewertung zum Nettoinventarwert ist zudem konsistent mit der Bewertung auf Gruppenebene und erleichtert dadurch im Krisenfall allfällige Restrukturierungen oder die Aufgabe einzelner Geschäftsbereiche.
Weshalb ist die teilweise Fremdfinanzierung sinnvoll
Regulatorische Vorgaben schränken interne Kapitaltransfers ein und verlangen selbst für konzerninterne Geschäfte eine Eigenmittelunterlegung – etwa bei Absicherungsgeschäften oder wenn eine Tochter Mittel beim Stammhaus anlegt. In solchen Fällen ist es sinnvoll, die dafür nötigen Eigenmittel in den Tochtergesellschaften teilweise durch Fremdkapital zu finanzieren. So kann das Risiko- und Treasury-Management zentral und effizient gesteuert werden.
Die vom Bundesrat vorgeschlagene vollständige Unterlegung der Beteiligungswerte im Stammhaus hätte jedoch zur Folge, dass auch interne Geschäfte der Tochtergesellschaften ausschliesslich mit hartem Kernkapital abgedeckt werden müssten. Das treibt den Eigenmittelbedarf im Stammhaus in die Höhe und zwingt die Bank indirekt, auch auf der Gruppenebene mehr Eigenmittel zu halten – Kapital, das dann nicht produktiv eingesetzt werden kann, weil es innerhalb des Konzerns blockiert ist.
Was droht im Abwicklungsfall
Risiken aus konzerninterner Fremdfinanzierung entstehen vor allem im Fall einer Sanierung oder Abwicklung. In einer solchen Krise könnten ausländische Behörden Vermögenswerte blockieren oder beschlagnahmen (Ring-Fencing), sodass Eigenmittel aus ausländischen Tochtergesellschaften nicht wie vorgesehen ins Stammhaus zurückfliessen.
Für dieses sogenannte Gone-Concern-Szenario – wenn die Bank nicht mehr in der bisherigen Form weiterbestehen kann und saniert oder geordnet abgewickelt werden muss – sind im Stammhaus zusätzliche verlustabsorbierende Mittel erforderlich. Dafür eignen sich Bail-in-Anleihen, die eigens für diesen Zweck geschaffen wurden. Eine solche Absicherung ist effizient und entspricht internationalen Standards.
Fazit
Die aktuelle Diskussion um Double Leverage im Stammhaus betrifft lediglich die konzerninterne Finanzierung von Eigenmitteln – ein Instrument, das für das Treasury- und Risikomanagement grosser internationaler Bankengruppen zentral ist.
Die Pflicht zur vollständigen Unterlegung der Beteiligungen käme faktisch einem Verbot dieser internen Finanzierung mit Fremdkapital gleich. Sie würde global systemrelevante Banken – in der Schweiz die UBS – erheblich einschränken, das Risiko- und Treasury-Management schwächen und zu einem überhöhten Kapitalbedarf auf Gruppenebene führen.
Zielführender wäre es, die Beteiligungen realistisch zu bewerten, Verlustrisiken aus dem laufenden Geschäft mit Eigenmitteln abzudecken und Abwicklungsrisiken gezielt mit Bail-in-Kapital abzusichern. Eine solche Lösung ist effizient, entspricht internationalen Standards und schützt den Schweizer Steuerzahler vor den relevanten Risiken – ohne die Wettbewerbsfähigkeit der Banken und des Finanzplatzes unnötig zu gefährden.
Orbit36 berät Banken und andere Finanzinstitute in der Strategischen Planung, Treasury, Risiko- und Kapitalmanagement sowie regulatorischer Fragestellungen. Zu unseren Kunden zählt unter anderem auch die UBS.