«Basel III final» – Chancen im Kreditgeschäft nutzen oder verpassen?

Summary:
- Grössere Banken, die ihre Kreditrisiken mittels des Internal Ratings-based (IRB) Approach bestimmen – z.B. UBS, ZKB, Raiffeisen – sind durch den Output-Floor mit deutlich höheren Kapitalerfordernissen konfrontiert.
- Auf erstklassigen Wohnbauhypotheken steigen die Kapitalkosten bei den IRB-Banken um bis zu 15-20 Basispunkte. Rund ein Viertel des Markvolumens ist von möglichen Repricings betroffen.
- Für einige Regional- und Kantonalbanken können sich infolge tieferer Risikogewichte auf selbstbewohnten Wohnliegenschaften Wachstumschancen ergeben.
- Der Output-Floor wirkt sich stark auf das KMU-Kreditgeschäft der IRB-Banken aus. Hauptsächlich betroffen sind Kredite an Schuldner ohne externes Rating. Die Kapitalkosten steigen für solche Exposures um bis ca. 45-65 Basispunkte.
- Banken sollten ihre Pricing-Methodik im Kreditgeschäft überprüfen und zeitnah an die neuen Kapitalerfordernisse anpassen.
- Für den Verwaltungsrat und das Management ist es mit Basel III final wichtig, den effizienten Einsatz der Eigenmittel und der darauf erzielten Rendite zu überwachen.
Einführung
Bis zur Einführung der finalen Basel III-Regeln in der Schweiz per 1. Januar 2025 verbleiben nur noch wenige Wochen. Bereits jetzt sind Auswirkungen auf das inländische Kreditgeschäft spürbar. Dies mag auf den ersten Blick überraschen, weil die Regulierungsfolgenabschätzung des Bundes im Bereich der Kreditrisiken insgesamt keine wesentlichen Veränderungen erwarten liess. Wie wir in diesem Artikel aufzeigen, sind die Auswirkungen auf einzelne Bankengruppen materiell. Allein bei inländischen Wohnbauhypotheken ist gemäss unserer Analyse rund ein Viertel des Volumens potenziell von einer Preiserhöhung betroffen. Auch bei den Unternehmenskrediten dürfte Basel III final für die Kunden eine spürbare Verteuerung mit sich bringen.
Wegfall von Vorteilen für IRB-Banken
Grössere Banken wie UBS, ZKB und Raiffeisen verwenden zur Bemessung ihrer regulatorischen Kapitalerfordernis eigene Kreditrisikomodelle. Unter dem Internal Ratings-based (IRB)-Approach bestimmen die Banken mittels statistischer Methoden die Schlüsselparameter Ausfallwahrscheinlichkeit (Probability of Default, PD), Verlustquote (Loss Given Default, LGD) sowie Risiko bei Ausfall (Exposure at Default, EAD). Darauf basierend werden dann die risikogewichteten Aktiven (RWA) berechnet. Die verwendeten Modelle müssen durch die FINMA genehmigt und regelmässig überprüft werden.
Einer der Vorteile des IRB-Ansatzes besteht darin, dass Kreditrisiken differenziert behandelt werden. Dies führt naturgemäss dazu, dass sich gute Kreditrisiken in tiefen RWA niederschlagen. So ergeben sich z.B. für erstklassige Wohnbauhypotheken IRB-Risikogewichte von rund 5%. Unter dem Standard-Ansatz lag das Risikogewicht dagegen bis anhin bei 35%. Der Einsatz von IRB-Modellen resultiert somit in einer erheblichen Kapitalersparnis.
Basel III final führt für Banken, die den IRB-Ansatz verwenden, zu einschneidenden Veränderungen. Neu kommt ein sogenannter Output-Floor zur Anwendung. Dieser legt fest, dass die gesamten RWA einer Bank mindestens 72.5% der unter dem Standard-Ansatz berechneten RWA entsprechen müssen. Damit will das Basel Framework erreichen, dass die Resultate zwischen den Banken wieder vergleichbarer werden und dass Banken ihre Risiken nicht mittels eigener Modelle künstlich tiefrechnen können.
Für die UBS, ZKB und die Raiffeisen-Gruppe erhöht Basel III final voraussichtlich die regulatorische Eigenmittelerfordernis. Inwieweit die einzelnen Institute auch effektiv zusätzliche Eigenmittel benötigen, lässt sich momentan noch nicht endgültig abschätzen. Da alle drei Banken gut kapitalisiert sind, dürfte der RWA-Anstieg wohl grösstenteils durch bereits vorhandene Eigenmittel abgedeckt werden können. Dies heisst aber nicht, dass den Banken daraus keine zusätzlichen Kosten entstehen.
Hoher Anpassungsbedarf bei der UBS
Im Hypothekargeschäft dürfte die UBS stark von Basel III final betroffen sein.
Wie aus Abbildung 1 ersichtlich, hält die UBS einen überproportional hohen Anteil an erstklassigen Hypotheken mit geringer Ausfallwahrscheinlichkeit, die tiefe IRB-Risikogewichte aufweisen. Ein Volumen von rund 100 Mia. Franken entfällt auf die Kategorie mit Ausfallswahrscheinlichkeiten (PD) von 0.00%-0.15%. Bei der UBS beträgt das durchschnittliche Risikogewicht in dieser Kategorie rund 5%. Die beiden anderen IRB-Banken ZKB und Raiffeisen verwenden ähnliche Risikogewichte. Allerdings liegt ihr Volumen in dieser Kategorie mit je rund 20 Mia. Franken deutlich unter demjenigen der UBS.

Der Output-Floor führt nun dazu, dass für UBS, ZKB und Raiffeisen auf ihren erstklassigen Hypotheken faktisch ein Risikogewicht von 14.5% (72.5% von 20%) zur Anwendung kommt, falls es sich um selbstbewohntes Wohneigentum handelt und der Belehnungswert unter 50% liegt. Für nicht-selbstbewohnte Wohnbauhypotheken sind es gar 21.75% (72.5% von 30%). Die damit verbundene höhere Kapitalerfordernis verteuert diese Hypotheken, falls die Banken ihre Kapitalkosten ökonomisch korrekt an ihre Kunden weitergeben.
Orbit36 schätzt, dass sich bei der UBS, ZKB und Raiffeisen die kalkulatorischen Kapitalkosten für erstklassige Hypotheken um rund 15-20 Basispunkte erhöhen. In der Berechnung berücksichtigt sind nebst der Kapitalanforderung für systemrelevante Banken auch die Kosten für die zusätzlich benötigten Bail-In-Instrumente.1
Ebenfalls von Basel III final betroffen sind Hypotheken in der nächsthöheren PD-Kategorie 0.15%-0.25%. Hier liegen die IRB-Risikogewichte zwischen 7%-13%. Auch in diesem Bereich ist der Output-Floor bindend.
In der darüberliegenden PD-Kategorie 0.25%-0.50% dürfte der Output-Floor dagegen nur noch für Raiffeisen relevant sein. Das durchschnittliche IRB-Risikogewicht beträgt 12%. Bei der UBS und der ZKB wenden liegen die durchschnittlichen IRB-Risikogewichte zwischen 20% und 24%. In diesem Bereich ist der Output-Floor in der Regel nicht mehr bindend. Im konkreten Einzelfall hängt dies jedoch vom Belehnungswert ab.
Im Weiteren gilt es zu berücksichtigen, dass mit hohen IRB-Risikogewichten versehene Positionen auf Gesamtbankstufe dazu beitragen können, die Auswirkung des Output-Floors abzuschwächen.2 Für IRB-Banken werden solche Positionen daher wieder attraktiver.
Insgesamt gehen wir davon aus, dass Wohnbauhypotheken im Umfang von rund 250 Mia. Franken ab dem 1. Januar 2025 mit mehr Kapital unterlegt werden müssen und von Preisanpassungen betroffen sein könnten. Das sind rund 25% des auf Privatpersonen entfallenden Hypothekarvolumens in der Schweiz, somit eine volkswirtschaftlich relevante Grössenordnung.
Springen Regional- und Kantonalbanken in die Lücke?
Für einige Regional- und Kantonalbanken, die schwergewichtig vom Eigentümer selbst bewohnte Objekte finanzieren, kann Basel III final unter dem Stricht vorteilhaft ausfallen. Die Risikogewichte reduzieren sich unter dem Standardansatz auf 20%, falls die Belehnungswerte unter 50% liegen. Im Vergleich zum heute gültigen Risikogewicht von 35% resultieren daraus um fast die Hälfte tiefere Kapitalkosten. Es dürfte sich für diese Banken lohnen, einen höheren Marktanteil anzustreben und von den durch die Preisanpassungen der IRB-Banken getriebenen höheren Hypothekarzinssätzen zu profitieren.
Das Bild ist bei den nicht-systemrelevanten Banken jedoch uneinheitlich. Es wird voraussichtlich auch Regional- und Kantonalbanken geben, bei denen Basel III final zu einer höheren Kapitalerfordernis führt. Dies besonders bei Banken, die einen hohen Anteil an Wohnrenditeliegenschaften finanzieren und dabei hohe Belehnungswerte akzeptieren. Auch Banken, die in den letzten Jahren ein starkes Wachstum aufwiesen, werden tendenziell betroffen sein. Bei neu abgeschlossenen Hypotheken liegen die Belehnungswerte in der Regel höher als auf langjährigen Altbeständen.
Für Banken im Finma-Kleinbankenregime hat Basel III final grundsätzlich keine Auswirkungen. Die Kapitalerfordernis ändert sich für diese Banken nicht. Trotzdem lohnt es auch für kleinere Institute, die veränderten Bedingungen auf dem inländischen Kreditmarkt aufmerksam zu verfolgen. Es gilt zu verstehen, bei welchen der bestehenden Hypotheken bei unveränderten Konditionen die Gefahr einer Abwanderung an anders kalkulierende Konkurrenten besteht und bei welchen Neugeschäften sich der Preisspielraum erhöht.
Im Firmenkundengeschäft hauptsächlich KMU-Kredite ohne Ratings betroffen
Bei Unternehmenskrediten stützt sich der Basler Standardansatz grundsätzlich auf externe Ratings. Diese korrelieren bereits heute gut mit den internen Ratings der Banken. Wie aus Abbildung 2 erkennbar, liegen die IRB-Risikogewichte für Kredite an Unternehmen (ohne Spezialfinanzierungen) der UBS, ZKB und Raffeisen mehrheitlich oberhalb des Niveaus, ab dem der Output-Floor zum Tragen kommt. Für Kredite mit einem externen Rating hat Basel III final für IRB-Banken daher kaum Auswirkungen. Dies betrifft hauptsächlich Kredite an grosse Unternehmen.

Für die meisten kleinen und mittelgrossen Unternehmen existieren keine externen Ratings. Der Basel Standard sieht für diesen Fall die Verwendung eines Standard-Risikogewichtes von 100% vor. Basel III final erlaubt neu für KMU-Kredite (Unternehmen mit Jahresumsatz bis 75 Mio. CHF) ein tieferes Standard-Risikogewicht von 85%.3 Für nicht-IRB Banken reduzieren sich somit die Kapitalkosten für KMU-Kredite, für die keine externen Ratings vorliegen, um rund 15%.
Für IRB-Banken wirkt sich Basel III dagegen bei Krediten ohne externe Ratings nachteilig aus. Die Banken können zwar bei fehlenden externen Ratings weiterhin auf ihre internen Ratings und Modelle abstützen. Es kommt aber neu auch hier der Output-Floor zum Tragen. Dieser schafft für KMU-Kredite ohne externes Rating faktisch ein Mindest-Risikogewicht von 61.6% (72.5% von 85%). Wie aus Abbildung 2 ersichtlich, liegt diese Schwelle für gute interne Ratings (ungefähr externe Ratings im Bereich AAA bis BBB-) deutlich über den heutigen IRB-Risikogewichten. UBS, ZKB und Raiffeisen sind deshalb bei vielen Firmen-Krediten mit markant höheren Kapitalerfordernissen konfrontiert.
Orbit36 schätzt, dass sich KMU-Firmenkredite ohne Rating für die drei erwähnten systemrelevanten IRB-Banken um bis zu rund 45-65 Basispunkte verteuern könnten. Am Markt sind bereits Repricings in dieser Grössenordnung zu beobachten.
Pricing-Methoden sollten zeitnah überprüft werden
Die durch Basel III final veränderte Ausgangslage macht das Pricing im Kreditgeschäft deutlich anspruchsvoller. Nebst dem eigentlichen Kreditrisiko gilt es auch, die Eigenkapitalkosten in die Kalkulation einzuschliessen, unter der Berücksichtigung der unterschiedlichen Kapitalerfordernisse und gegebenenfalls des Output-Floors.
Orbit36 empfiehlt den Banken, ihre Pricing-Methodik im Kreditgeschäft bereits jetzt zu überprüfen und zeitnah anzupassen. Für den Verwaltungsrat und das Management wird es zudem immer wichtiger, den effizienten Einsatz der Eigenmittel und der darauf erzielten Rendite zu überwachen, um Fehlallokationen von Resourcen zu vermeiden. Dazu ist eine zuverlässige und transparente Eigenkapitalzuteilung auf die einzelnen Geschäftsbereiche unerlässlich.
Bitte zögern Sie nicht uns zu kontaktieren, um mehr darüber zu erfahren, wie Sie ihre Bank optimal auf die Welt ab dem 1. Januar 2025 vorbereiten können. Basel III final ist mehr als nur ein kostspieliges regulatorisches Projekt, das es pünktlich zu implementieren gilt. Es ist im Kreditgeschäft von strategischer Bedeutung.
Fussnoten:
- Berechnet basierend auf der Going-Concern Anforderung für systemrelevante Banken, unter der Annahme einer Zielrendite von 8% auf dem regulatorischen Kapital, einschliesslich Zinskosten für Bail-In Kapital. ↩︎
- Exposures mit hohen IRB-Risikogewichten tragen dazu bei, die Differenz zwischen den IRB-RWA und den SA-RWA zu verringern. Dadurch reduziert sich der inkrementelle Kapitalbedarf aus dem Output-Floor. ↩︎
- Banken der Kategorien 3-5 können für die KMU-Definition alternativ das Kriterium von maximal 250 Mitarbeitern anwenden, müssen dann aber ein Risikogewicht von 90% verwenden. Kleinere Kredite dürften ausserdem bei allen Banken der Kategorie “Retail” zugeordnet werden. ↩︎