Recovery & Resolution – Stabilisierung oder geordnete Abwicklung einer SIB
In unserem fünften Beitrag zur Bankenregulierungsdebatte in der Schweiz beleuchten wir das Recovery and Resolution Framework. Wir zeigen, wie schwere Krisen bei systemrelevanten Banken (SIBs) bewältigt werden – ohne dass dafür die Steuerzahler zur Kasse gebeten werden.
Die Ursachen einer Bankenkrise können vielfältig sein. In vielen Fällen – wenn auch nicht immer – gehen sie mit hohen Verlusten einher. Lassen sich diese Verluste weder durch laufende Gewinne noch durch vorhandene Rückstellungen auffangen, wird das Eigenkapital geschmälert. Dadurch sinkt in der Folge das harte Kernkapital (Common Equity Tier 1, CET1) sowie die CET1-Kapitalquote. Eine geschwächte Kapitalbasis führt zudem häufig zu einem Vertrauensverlust und in der Folge zu Einlagenabflüssen. In schwerwiegenden Fällen kann eine Verletzung der regulatorischen Kapital- und Liquiditätsanforderungen drohen. Frühwarnindikatoren stellen sicher, dass die Bank rechtzeitig auf die Verschlechterung ihrer Lage reagiert – es beginnt die sogenannte Recovery-Phase.
Recovery-Phase
Das Ziel der Recovery-Phase besteht darin, die Bank zu stabilisieren und den ordentlichen Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten. Systemrelevante Banken müssen dafür bereits in normalen Zeiten geeignete Massnahmen definieren und in einem Recovery-Plan festhalten. Dieser Plan muss jährlich von der FINMA auf seine Eignung und Wirksamkeit überprüft und genehmigt werden.
Die FINMA erwartet, dass systemrelevante Banken in ihrem Recovery-Plan eine breite Palette von Massnahmen vorbereiten, auf die sie in einer Krise zurückgreifen können, um ihre Kapital- und Liquiditätssituation zu verbessern. Dazu gehören beispielsweise die Aussetzung von Dividendenzahlungen, die Aufnahme von zusätzlichem Eigenkapital, die Emission besicherter Schuldverschreibungen («Covered Bonds») oder der Verkauf einzelner Geschäftsbereiche.[1] Die Wirksamkeit dieser Massnahmen hängt davon ab, dass sie zeitgerecht, glaubwürdig und operativ umsetzbar sind.
Die Recovery-Phase zielt darauf ab, dass eine Bank ihre Stabilität aus eigener Kraft und ohne staatliche Hilfe wiedererlangen kann. Eine Abwicklung soll in dieser Phase noch abgewendet werden. Für den Fall, dass eine Eigenkapitalaufnahme im Markt nicht mehr möglich ist, übernehmen Additional Tier 1 (AT1)-Instrumente eine zentrale Funktion bei der Wiederherstellung der vorgeschriebenen Eigenmittelunterlegung. Sie werden im Krisenfall automatisch in Eigenkapital umgewandelt – entweder durch Abschreibung oder durch Wandlung in Aktien –, sobald die CET1-Kapitalquote der Bank unter die Schwelle von 7 Prozent fällt oder dies von der FINMA angeordnet wird.[2] Auf diese Weise wird die erforderliche CET1-Kapitalquote wiederhergestellt.
Die Recovery-Phase ist auch auf der Liquiditätsseite anspruchsvoll und erfordert gezielte Massnahmen zur Aufrechterhaltung des Vertrauens. Dazu zählt die Sicherstellung der Refinanzierung, etwa durch die Ausgabe von Covered Bonds oder die Aufnahme von Pfandbriefdarlehen sowie die Ausweitung der Mittelaufnahme über Repo-Geschäfte. Zudem kann die Bank durch die Veräusserung nicht strategischer Aktiven, die Reduktion von Kreditlimiten und Handelspositionen sowie eine zurückhaltende Politik bei Neugeschäften ihre Liquidität schonen. Erweisen sich diese markt- und bilanzbasierten Massnahmen als unzureichend, kann in Ausnahmefällen auch der Bezug von Emergency Liquidity Assistance (ELA) bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) in Betracht gezogen werden. Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass der Bezug von ELA eine starke Signalwirkung haben dürfte und daher einen klaren und glaubwürdigen Plan des Managements voraussetzt, wie die Bank wieder aus der Krise geführt werden kann. Die von der SNB initiierte Erweiterte Liquiditätsfazilität (ELF) entschärft diese Stigma-Problematik, weil sie Banken im begrenzten Umfang einen vereinfachten Zugang zu Liquidität bietet.
Erweisen sich die im Recovery-Plan eingeleiteten Massnahmen als unzureichend, um die Stabilität der Bank wiederherzustellen, greift die FINMA ein und leitet eine Sanierung oder Liquidation ein. Damit beginnt die sogenannte Abwicklung, die auch als Resolution bezeichnet wird.
Resolution-Phase
Betrachtet die FINMA eine Bank als nicht mehr überlebensfähig, ist der sogenannte Point of Non-Viability (PONV) erreicht. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn die Bank ihre regulatorischen Eigenmittel- oder Liquiditätsanforderungen nicht mehr erfüllt, illiquid ist oder eine Überschuldung vorliegt oder absehbar ist. In dieser Situation entscheidet die FINMA darüber, ob die Bank saniert oder geordnet abgewickelt wird.
Bei einer systemrelevanten Bank dürfte eine Sanierung oder eine geordnete Abwicklung zusätzlich mit einem Bail-in verbunden sein. Damit kann bei der betroffenen Bank eine wieder den Vorschriften entsprechende Eigenmittelsituation herbeigeführt werden. Ein Bail-in umfasst eine von der FINMA im Rahmen eines Sanierungsverfahrens angeordnete Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital oder die Reduktion von Forderungen. Dabei kommt eine klar definierte Rangordnung der einzelnen Forderungsklassen zur Anwendung. In einem ersten Schritt wird zwingend das ganze AT1-Kapital abgeschrieben oder gewandelt und in einem zweiten Schritt wird das Gesellschaftskapital vollständig herabgesetzt. Die bisherigen Aktionäre – einschliesslich Aktionäre aus einer allfälligen AT1-Wandlung – verlieren dabei ihre Eigentumsrechte. Danach werden TLAC-Anleihen abgeschrieben oder in Eigenkapital gewandelt. Reicht dies nicht aus, damit die Bank nach der Sanierung die für die Fortführung der Geschäftstätigkeit notwendigen Eigenmittelanforderungen «zweifelsfrei erfüllt», können zusätzliche Forderungen Eigenkapital gewandelt werden.[3]
Der Bail-in führt dazu, dass Verluste und Abwicklungskosten von den Bankeigentümern und Inhabern gewisser Kapitalinstrumente getragen werden. Die Rekapitalisierung einer überschuldeten Bank durch die zwangsweise Wandlung des Fremdkapitals in neues Eigenkapital gibt den Behörden den notwendigen Handlungsspielraum, um die gescheiterte Bank oder Teile davon zu veräussern, weiterzubetreiben oder in einem geordneten Verfahren zu liquidieren. Bei der UBS stünden dafür beispielsweise TLAC-Anleihen im Umfang von rund hundert Milliarden US-Dollar zur Verfügung, die im Falle einer Sanierung in Eigenkapital gewandelt oder abgeschrieben werden könnten. Auf diese Weise werden die Kosten einer Abwicklung durch privates Kapital getragen – ohne Belastung für den Steuerzahler.
Für eine Sanierung oder geordnete Abwicklung ist jedoch zusätzliche Liquidität erforderlich. Nach dem Erreichen des PONV dürften die Sicherheiten der Bank ausgeschöpft sein, so dass eine besicherte Mittelbeschaffung bei der SNB über die ELA-Fazilität nicht mehr möglich ist. In dieser Situation kommt der Public Liquidity Backstop (PLB) – das in der schweizerischen Gesetzgebung formell noch fehlende Instrument – zum Einsatz. Da die SNB – wie jede andere Zentralbank – keine unbesicherten Darlehen gewähren darf, wird die Liquiditätshilfe durch eine Ausfallgarantie des Bundes und ein gesetzlich verankertes Konkursprivileg abgesichert. Weil der PLB gemäss Vorschlag des Bundesrates zwingend eine Sanierung voraussetzt, ist die Bank zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme wieder solvent. Die wiederhergestellte Eigenkapitalbasis und das Konkursprivileg verringern das Risiko, dass die Bundesgarantie tatsächlich beansprucht werden muss.
Fazit
Das Recovery- und Resolution-Framework bildet zusammen mit der ELA-Fazilität und dem PLB ein wirksames Instrumentarium zur Bewältigung von Krisen bei systemrelevanten Banken. In der Recovery-Phase steht die Stabilisierung einer Bank aus eigener Kraft und ohne staatliche Unterstützung im Vordergrund. Bei der Resolution geht es hingegen darum, eine geordnete Abwicklung einer gescheiterten Bank sicherzustellen und Verluste für die Steuerzahler zu vermeiden.
Dabei ist klar zu unterscheiden zwischen der Liquiditätsgewährung durch die SNB – nur gegen ausreichende Besicherung oder im Rahmen des PLB – und dem Tragen allfälliger Verluste. Die SNB stellt der Bank zwar Liquidität bereit; das wirtschaftliche Risiko tragen jedoch deren AT1-Gläubiger und die Aktionäre, die im Rahmen der Sanierung oder Abwicklung zur Verlusttragung herangezogen werden und ferner die TLAC-Gläubiger, deren Anleihen in Aktien gewandelt werden und zukünftige Verluste in der Sanierungsphase zu tragen haben. Die Garantie des Bundes für den PLB kommt nur subsidiär zum Einsatz, im unwahrscheinlichen Fall, dass die SNB trotz Konkursprivileg und vorgängiger Sanierung einen teilweisen Verlust ihrer Forderung erleiden würde.
Orbit36 berät Banken und andere Finanzinstitute in der Strategischen Planung, Treasury, Risiko- und Kapitalmanagement sowie regulatorischer Fragestellungen. Zu unseren Kunden zählt unter anderem auch die UBS.
[1] Beispiele gemäss Resolution Report 2020 der FINMA
[2] ERV Artikel 29 Abs 2 sieht die Anordnung einer Abschreibung oder Wandlung von AT1-Anleihen durch die FINMA vor, falls die Bank eine Hilfeleistung der Öffentlichen Hand in Anspruch nimmt oder dies zur Vermeidung einer Insolvenz erforderlich ist.
[3] Vgl. Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen (BankG), Artikel 30b Abs. 5 sowie Botschaft zur Änderung vom 19. Juni 2020